Wenn man, wie ich in den letzten vier Wochen täglich (also echt, JEDEN Tag) 12 bis 24 Stunden in einem Spital verbringt, dann fängt man unweigerlich an, Leute zu beobachten... aber, das für nachher.
Hägar ist, auch nach der langen Zeit, leider nicht aus dem Schneider. Jeden Tag, inklusive Samstag und Sonntag (liebe schweizer Ärzte, hergehört!) kommt die behandelnde Ärztin zu Hägar, meistens früh am Morgen, gegen sieben, halb acht und nimmt den dicken Verband von seinem Bein.
Die Evaluation ist nötig, sogar lebenswichtig für Hägar. Sie prüft nämlich nicht nur den langsamen Fortschritt sondern begutachtet auch den Allgemeinzustand Hägars. Das ganze ist für ihn sau gefährlich.
Das ehemals weisse Gewebe nekrosierte, starb also ab. Die Vaskulitis (so der Fachbegriff) führt dazu, dass die Haut einen Infarkt erleidet. Ja, Infarkte gibt es nicht nur am Herzen sondern überall, wo Blut fliesst. Es werden dabei die Blutbahnen im grossen Stil blockiert und das Gewebe stirbt unweigerlich ab. Ich wollte euch hier einen Link reinstellen, der das Phänomen erklärt. Leider ist es mit Hautkrankheiten nicht so einfach, wie mit einem gebrochenen Bein. Es gibt verschiedne Arten von Vaskulitis. Die die am ehesten auf Hägar zu trifft ist die "
leukozytoklastische Vasculitis". Es gibt aber derart viele und zum Teil wiedersprechende Informationen... ich kann euch leider nichts weiter dazu sagen. Den perfekten Beitrag hab ich im Internet bis jetzt auf jeden Fall nicht gefunden...
Der Fuss färbte sich fast komplett schwarz. Dieses tote Gewebe gibt aber weiterhin Giftstoffe in seinen Körper ab und kann nicht nur zu Nierenversagen, Lungenentzündung, Herzkammerprobleme führen sondern auch das Hirn schädigen. Das ganze muss also weg... ohne das Bein zu amputieren, wenn nur irgend möglich! Das wäre die letzte Möglichkeit, sollte die Vergiftung für seinen Organismus einfach zu stark werden und lebensbedrohlich werden. Nun, die Ärztin, eine erfahrene Chirurgin und Spezialistin für eine solche "Mission Impossible", entfernt also jeden Tag ein wenig von diesem Gewebe. Stück für Stück. Immer mit der bangen Hoffnung, dass am nächsten Tag dieses Teilchen nicht wieder schwarz ist und somit eine Amputation unumgänglich würde. Jeden Morgen schauen ich und die Frau Doktor Hägars Bein und Fuss an, jeden Morgen um sieben, halb acht. Meistens mag ich dann nachher nicht mehr frühstücken.
Hägar selber verschläft oft das gesamte Prozedere. Er wird mehr oder weniger ruhig gestellt... was soll er auch sonst machen? An der Decke über ihm hat er sich schon längst satt gesehen und die Schmerzen, ohne die Medikamente, müssen wohl höllisch sein...
Nun, da man es gut meinte mit ihm, verschlief er oft ganze Tage. Zwischendurch wird er mal gewendet, verlangt nach Wasser, Cola oder Saft, wird gefüttert und gewaschen... immer mit und von mir. Das lass ich mir nicht nehmen! Das Dauerschlafen gefiel aber der Frau Doktor am 7.7. nicht mehr. Sie konnte nämlich nicht mehr erkennen, wie es denn um den Gesamtzustand steht und brachte uns alle ganz schön ins Schwitzen. Sie meinte, die Amputation sei zu 70% sicher. Das waren keine guten News! Ich sprach also mit allen beteiligten, darunter nochmals eine Ärztin, und verlangte, dass man Hägar auf ein minimum der Drogen einstellt. Ich vermutete nämlich stark, dass es noch nicht so schlimm ist, mit der Intoxikation.
Der Effekt war überraschend gut. Hägar war wieder bei Bewusstsein und meckerte ständig an etwas herum. Das fällt nicht so stark ins Gewicht, da er nämlich seine Stimme komplett verloren hat und dadurch nur noch flüstern kann. In den letzten Tagen, war also Frau Doktor eher wieder optimistisch gestimmt und erhöhte die Prognose, dass Hägar kein Holzbein braucht, auf etwa 50 / 50. Noch immer keines Jubelschreies würdig, aber besser als auch schon!
Inzwischen, ist bis auf kleinere Stücke bei den Zehen, die nekrose Haut abgetragen worden. Was jetzt kommt, ist das Bangen um die Wundheilung. Um dies ein wenig zu beschläunigen sprachen wir heute über eine
Hyperbarische Oxygnierung mit dem Ziel, das gesamte Gewebe wieder zu revitalisieren. Gel Behandlung und tägliche Desinfektion mit einer sterilen Permanganat / Essiglösung werden ja schon angewendet.
Der weitere Verlauf und wann denn Hägar nun endlich wieder etwas Meeresluft geniessen kann, ist unklar. Auf jeden Fall....
...werde ich mich weiterhin damit beschäftigen die Gestalten im Spital zu analysieren. Die notorischen Drückeberger, die, wenn sie gebraucht werden, auch noch stöhnen, die Krankenschwester, welche sich in Hägar verknallt hat, die Seelsorgerin, ständig in Schwarz, welche wohl längst einen intensiv Besuch beim Psychologen nötig hätte, und so weiter uns so fort. Denn, die Zeit in der Hägar in seinem Bett liegt, wache ich auf seiner Seite und drücke, zusammen mit euch, alle Daumen, die ich zur Verfügung habe.
Wer sich für weitere Fotos interessiert, dem werde ich bald die Möglichkeit bieten. Aber nicht heute, ich geh jetzt nämlich duschen und schlafen, bald klingelt wieder der Wecker und es ist mal wieder morgens um sieben, in JP!
P.s.: Natürlich habe ich Hägar alle eure Wünsche zur baldigen Genesung mündlich weitergeleitet! Ich denke, dass ihm dies Kraft gibt... mir auf jeden Fall hilft es, diese Zeit mit ihm durch zu stehen. Danke.